Früher als gedacht. War ich je ganz weg? Jein.
Ich bin 2023 aus dem Vorstand von neo zurückgetreten, wollte mich auf den Beruf konzentrieren, die Politik ruhen lassen. Beruflich bin ich angekommen. Gleichzeitig habe ich die politische Bühne sehr vermisst. Ich konnte es auch nie ganz sein lassen. Habe Leserinnenbriefe geschrieben, auf Instagram und LinkedIn alles Mögliche kommentiert. Aber ich will nicht nur kritisieren, ich will mitgestalten. Also bin ich wieder da und kandidiere bei den kantonalen Wahlen 2025 für den Grossen Rat.
Woher der Sinneswandel?
Seit 2024 bilde ich an der PHBern Schulleitende aus. Es ist eine sehr interessante, abwechslungsreiche Tätigkeit. Wir sind ein tolles Team, die Themen Schulführung und Schulentwicklung entsprechen mir sehr, ich lerne viel. Die nächsten beiden Jahre bin ich zudem Projektleiterin zur Umsetzung des Leitthemas Bildung und Demokratie. Unser Ziel ist es, die Weiterbildung und unsere Dienstleistungen so zu gestalten, dass Kinder und Jugendliche zur aktiven und langfristigen Teilhabe in der Demokratie befähigt und motiviert werden. Als Projektleiterin lese ich viel zum Thema und frage mich ständig, was mein Beitrag zu einer demokratischen Gesellschaft ist. Reicht es, Zeitung zu lesen und abzustimmen? Oder könnte ich mehr tun?
Bei den Gemeindewahlen im Herbst 2024 kandidierte ich nicht. Ich bin keine Exekutiv-Politikerin. Die Legislative liegt mir mehr. Im Herbst wurde ich auch für die Grossratswahlen vom März 2025 angefragt. Ich zögerte lange. Mein Rücktritt aus dem Parteipräsidium war schmerzhaft. Will ich dieses Fass wirklich wieder aufmachen? Die Lust war da, aber auch die Zweifel waren gross. Auch hinsichtlich der Familie und meines Energiehaushalts. Die Kinder sind in der Primarschule und in der OS. Ich will sie in diesen wichtigen Jahren begleiten, Zeit für sie haben und präsent sein. Werde ich das weiterhin können? Wir reden am Familientisch oft über Politik, einer Kandidatur schauen sie gelassen entgegen. Sie wissen eh, wie sehr mich das Politisieren interessiert.
Die Welt und das Wallis sind konservativer, rechter, geworden. Mir gefällt das nicht und ich möchte dies nicht hinnehmen, die Errungenschaften der letzten Jahre, gerade im Bereich der Gleichstellung, nicht einfach so aufgeben. Ich sehe Vielfalt als eine Bereicherung an und denke sowohl gesellschaftlich als auch wirtschaftlich liberal, wobei ich mich klar sozialliberal positioniere. Denn es braucht auch mehr Gemeinschaftlichkeit, soziale Gerechtigkeit, nachhaltiges Handeln.
Es läuft auch nicht sonderlich gut. SVP und Mitte Oberwallis werden immer stärker. Gleichzeitig sank das Wallis im Freiheitsindex von Avenir Suisse vom Rang 5 im Jahr 2010 auf den aktuell letzten Platz. Sowohl was wirtschaftliche als auch was gesellschaftliche Freiheit angeht, befindet sich der Kanton im letzten Viertel. Zudem: Die Geburtenrate sinkt und die Menschen wandern aus den Seitentälern ab. Die PH hat im Oberwallis immer weniger Studierende, sie gehen nach Bern, Freiburg oder Luzern und bleiben dann in der "Ausserschweiz", zum Leidwesen von Christophe Darbellay, der, statt die Strukturen des Walliser Bildungssystems zu ändern und dieses auch für Lehrpersonen attraktiver zu gestalten, lieber an die Intelligenzija apelliert, ihre (20-jährigen) Kinder doch hier zu behalten. Kurz: Es braucht wieder mehr progressive Stimmen in der Walliser Politik.
Ich hatte bei einigen Gelben einen schweren Stand. Oder sie mit mir, je nach Sichtweise. :) Warum halte ich ums Verrecken an dieser Partei fest? Es ist ganz einfach: es sind die sozialliberalen Werte, die sie vertritt. Keine andere Partei passt so gut zu meiner politischen Grundhaltung wie neo - die sozialliberale Mitte. Die Partei durchläuft schwierige Zeiten. Aber es braucht sie im Oberwallis, davon bin ich überzeugt. Es hat auch Platz. Weil die Mitte Oberwallis, unsere "Schwesterpartei" rechts und nahe der SVP politisiert, liegt die politische Mitte ohne neo praktisch brach. Ich kann zuschauen, wie es mit neo weitergeht, oder mitgestalten. Ich habe lange überlegt, und nun zugesagt. Ich versuche also mitzugestalten und kandidere bei den Grossratswahlen.
Ich lege meine Schwerpunkte weiterhin auf die Bildung und in die Familienpolitik sowie vermehrt ins Unternehmertum. Es ist eines der Learnings der letzten Jahre, dass wir dieses vermehrt brauchen, auch beim Staat. Mein Herz schlägt für die Volksschule, auch wenn ich Privatschulen gegenüber offener geworden bin. Kein System ist für alle Kinder geeignet, also ist es gut, wenn es auch hier eine Vielfalt gibt. Wichtig ist es, dass wir die Kinder in der Familie und in der Schule gut auf das Leben vorbereiten. Auf ein selbständiges und eigenverantwortliches Leben, auf Zeiten, die sich stets wandeln und Resilienz erfordern, auf Teilhabe in einer demokratischen Gesellschaft. Der Staat soll nicht alle Probleme lösen, muss aber die Rahmenbedingungen bieten.
Natürlich bin ich mir bewusst, dass so eine Wahl auch immer ein Risiko darstellt. Wieder einmal setze ich mich dem Urteil der Wählenden aus. Es kann passieren, dass ich wie vor vier Jahren Vierte werde, wieder erste Nichtgewählte. So ein Wahlsonntag ist nicht lustig. Damals hatte ich lange gehofft, nachrücken zu können. Nun, ich mache mein Glück nicht (mehr) von meinen Vorgängern abhängig. Ein Parteikollege sagte mir, sein Vater habe drei Mal kandidiert, bis er endlich Grossrat wurde. Wenn ich das wirklich wolle, müsse ich halt dranbleiben. Er hat Recht. Dies ist also nun meine zweite Kandidatur. Es ist ein Angebot. Für ein modernes, nachhaltiges Wallis. Für den politischen Diskurs. Und für eine Partei, deren sozialliberalen Werte ich weiterhin vertreten wissen möchte.
Auf ein weiteres Abenteuer also. Ich freue mich.
Foto: unsplash.com
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