Warum nicht eine kantonale Elternzeit einführen?

Die Elternzeit ist ein wichtiges Instrument zur Herstellung von gleichen Chancen für Frauen und Müttern auf dem Arbeitsmarkt und – gleichzeitig – von Vätern in der Familie.

 

Nun haben wir die reelle Chance, diese auf kantonaler Ebene einzuführen. Packen wir sie. 

 

Und suchen wir nach Lösungen, bei denen nicht nur der Staat finanziert. Eine Idee skizziere ich im Blog. 

 

 

Die Elternzeit bietet gleiche Chancen auf dem Arbeitsmarkt – und zu Hause

Die Elternzeit ermöglicht eine flexible Aufteilung der Familien- und Erwerbsarbeit. Aus Studien zu Wirkungen von Elternzeit ist bekannt, dass «Elternzeit zu einem grösseren familiären Engagement der Väter und einer Stärkung der Vater-Kind-Beziehung» führt. Längerfristig wirksam sind diese Effekte einer längeren Bezugsdauer (Müller & Ramsden 2017). 

 

Dies hat auch einen Einfluss darauf, wer zu Hause bleibt, wenn die Kinder krank sind. Dazu Zahlen aus dem Familienbericht des BFS 2021: In knapp drei Viertel der Familien (73.9%) bleibt die Mutter zu Hause, wenn die Kinder krank sind. In jeder fünften Familie (18.7%) sind es beide Eltern abwechselnd und in 4.9% der Familien ist es hauptsächlich der Vater. Dies wissen Arbeitgebende und es ist deshalb ein grosser Nachteil für Mütter und Frauen im gebärfähigen Alter, die auf Stellensuche sind. Oft wird dann bei Neubesetzungen nicht auf sie gesetzt, weil davon ausgegangen wird, dass sie bald schwanger oder wegen kranker Kinder ausfallen werden. 

 

Bedürfnisse von Familien, Lebensumstände, wo man grad beruflich steht, sind individuell. Deshalb muss die Elternzeit flexibel und gemäss den Bedürfnissen der Familie unter dem Paar aufgeteilt werden können. 

Die Elternzeit stärkt die Bindungssicherheit der Kinder

Zudem sind die zwei Wochen Vaterschaftsurlaub zwar nett, um die Mutter im Wochenbett zu unterstützen oder ihr einen früheren Wiedereinstieg in den Beruf zu ermöglichen. Bedenkt man aber, dass es für eine sichere Bindung des Kindes Zeit braucht, ist eine Elternzeit unabdingbar. Dies zeigen die skandinavischen Länder gut. Dort bleiben die Eltern in der Regel im ersten Lebensjahr abwechselnd zu Hause, so dass beide Elternteile gleichberechtigt zu Hause sein sowie ihrer Erwerbstätigkeit nachgehen können. 

Die Elternzeit wirkt dem Fachkräftemangel entgegen

Gegnerinnen und Gegner argumentieren oft mit den Kosten, die eine Elternzeit verursacht. Doch Elternzeit ist volkswirtschaftlich ein Gewinn. Dies zeigen mehrere Modellrechnungen. Kosten können zudem noch nicht geschätzt werden, da wir hier noch nicht über die Dauer der Elternzeit sprechen. 

 

Alle reden vom Fachkräftemangel. Wir sollten also viel dafür tun, dass Frauen und Männer auf dem Arbeitsmarkt die gleichen Chancen haben. Bleiben Frauen lange von der Erwerbsarbeit fern, ist die Gefahr gross, dass sie dann gar nicht mehr einsteigen. Die oben verlinkte Studie von Interface zeigt, dass Elternzeit zu einer Zunahme der Erwerbstätigkeit der Mütter führt. Der Effekt ist maximal bei einer Dauer von 28 Wochen und nimmt danach ab. Neben der Elternzeit braucht es hier aber auch ausreichend und bezahlbare Betreuungs- und Tagesschulangebote.

 

Wir hören es allenthalben: Es ist schwierig, gute Mitarbeitende zu finden. Heute müssen sich Unternehmen um Arbeitskräfte bewerben. Firmen, die eine Elternzeit anbieten, steigern damit also ihre Attraktivität für Arbeitnehmende. Die Fluktuationsrate sinkt, Wettbewerbsfähigkeit und Standortattraktivität steigen, auch für den Kanton. Ich zitiere hier wieder aus der Studie von Interface: «Bezahlte Elternzeit hat einen eher positiven Effekt auf Produktivität, Umsatz und Ar- beitsplatzmoral in Unternehmen. Sie führt in der Tendenz zu Kosteneinsparungen aufgrund geringerer Fluktuation von Mitarbeitenden (insbesondere dann, wenn es sich um gut qualifizierte Mitarbeitende handelt und daher die Neubesetzung der Stelle mit einem erhöhten Aufwand verbunden ist). Es gilt, zu beachten, dass Studien aus der Schweiz und aus Deutschland nicht für grosse Unternehmen – welche mit Ausfällen leichter umgehen können – durchgeführt wurden, sondern für kleinere und mittlere Unternehmen (KMU).»

Nicht nur der Staat soll finanzieren

Im Verfassungsrat debattieren wir nur über eine vage Formulierung zur Einführung der Elternzeit. Auch meine Partei, die CSPO, setzt sich in der Mehrheit dafür ein. Wenn ihr mein Votum im Verfassungsrat dazu hören wollt: hier der Link :). 

 

Als Partei, die sich sowohl für soziale und Familienfragen engagiert, wie auch auch für wirtschaftsfreundliche Rahmenbedingungen ist es uns jedoch ein grosses Anliegen, dass nicht nur der Staat zur Kasse gebeten wird, und dass auch nicht die Unternehmen zu stark belastet werden. Hier sind innovative Lösungen gefragt und es braucht auch das Engagement von jedem und jeder einzelnen.

 

Eine konkrete Lösungsidee haben wir: Zeitguthaben für Mitarbeitende. Dies kann ein Langzeitkonto sein, wie es der Kanton Bern kennt: Nicht bezogene Ferientage, nicht kompensierte Überzeit und Treueprämien können auf das Langzeitkonto übertragen werden. Das angesparte Guthaben kann zum gewünschten Zeitpunkt bezogen werden, z. B. für eine Elternzeit. Die Rahmenbedingungen muss das Gesetz bieten und der Kanton kann mit gutem Beispiel vorangehen. 

Packen wir die Chance

Eines der Hauptargument gegen eine kantonale Elternzeit ist jenes, dass diese auf nationaler Ebene eingeführt werden muss. Dem halte ich stets entgegen, dass Kantone schon öfters dem Bund vorangingen. So z. B. auch beim Frauenstimm- und Wahlrecht. Also warum nicht auch hier?

Meine Kollegin im Verfassungsrat, Rahel Zimmermann, führt dies in ihrem Votum aus Sicht der Politikwissenschaften aus. Sie betont, «dass die Kantone als Innovationslabor fungieren können. Es ist sinnvoll und wichtig, dass die Kantone auch in diesem Thema mit eigenen Ideen und Lösungen vorangehen. Das hat eine Signalwirkung auf die ganze Schweiz.»  

Danica Zurbriggen Lehner

3920 Zermatt